„Nach 45 Jahren forschender und publizistischer Arbeit kann Uwe Wolff aus dem Vollen schöpfen. Von Hans Blumenberg kommend und von dessen grundstürzender Neugier infiziert, kamen die Engel zu ihm und ließen ihn nicht mehr los. Schon das weiße Cover mit den goldenen Lettern, darauf die opaken Flügel, signalisiert das Luftige, das Ephemere, das Erhebende des Textes. (…)


Hat man einmal die Optik auf die lichtvollen Gestalten eingestellt, dann beginnen sie tatsächlich in Rilkes Leben und Werk überall zu erscheinen. Zuerst natürlich in seiner Dichtung, vor allem in seinem Lebenswerk, den „Duineser Elegien“, die laut Wolff ein Gebet sind, das sich an die Engel richtet. Rilkes Engel sind keine rein religiösen oder konventionellen Figuren, sondern tragen eine tiefere, lebensnotwen- dige und fast metaphysische Bedeutung. Er beschreibt den Engel als eine überwältigende, fast unerreichbare Präsenz, die die Grenzen menschlicher Existenz über- schreitet: „Wer, wenn ich schriee, hörte mich denn aus der Engel Ordnungen?“ – so die berühmten Eingangszeilen. Sie sind Wesen von höchster Vollendung und Intensität, schön und schrecklich zugleich, nah und unnahbar, beseelend und fordernd und doch ganz prosaisch „Urbild einer aller materiellen Sorgen enthobenen Dichterexistenz“. Mehr als zehn Jahre rang Rilke mit ihnen und also mit seiner Dichtung, die ihm als Offenbarung kam, als großes Versprechen, aber langer Zeit bedurfte, um ausgesprochen, aufgeschrieben werden zu können. Erst am „Kraftort Schloß Duino“ wollten die Engel sich zeigen und dann mit aller Wucht. „Dichtung ist unverfügbar wie die Gnade. Engel erscheinen nicht auf Kommando. Doch gilt es, sich für ihre Ankunft bereitzuhalten und dem Wunder die Hand auszustrecken.“ In so einem Satz hat man den ganzen Wolff in nuce. (…)


Kein Wolff-Leser beendet ein Buch ohne eine Liste von unverhofften Lese- und Denkinspirationen. Wer eine herkömmliche Rilke-Biografie sucht, wird bei Wolff nicht fündig: Hier wird evoziert, verzaubert, wiederverzaubert. Gleichsam mit Engelsflügeln schwebt Wolff lautlos in diesem Leben und Werk umher, taucht mal hier, mal da auf, er webt ein luftiges Netz darum, mit vielen Fäden, Andeutungen, Querverweisen. Das zeigt sich auch in einer ephemeren, zarten Prosa, die so leicht ist, wie es zu diesem Dichter passt. Rilke schrieb für empfindsame Geister – Wolff tut das auch.“

Jörg Seidel in „Die Tagespost“ vom 6. November 2025

 

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https://www.firstlife.de/rainer-maria-rilke-wie-engel-mit-der-biografie-des-dichters-verbunden-sind/

Matthias Chrobok

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„Mehr als der Autor das Thema,

erwählt bei wirklich tiefgründigen Büchern das Thema seinen Autor.

Uwe Wolff hat wahrhaft eine Berufung für das biographische Schreiben,

und sein Blick auf Menschen und ihre Schicksale

bewegt sich frei und vertraut zwischen Himmel und Erde.“

Barbara Hallensleben

 

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"Siehe, ich lebe. Woraus? Weder Kindheit noch Zukunft
werden weniger ....... Überzähliges Dasein
entspringt mir im Herzen.

Rilke IX. Elegie"

 

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Lebensthemen sucht sich niemand aus.

Oft wirken sie im Verborgenen, manchmal werden sie drängend und verlangen nach Klärung.

Sie wollen geleistet werden, wusste Rainer Maria Rilke (1875–1926).


Dass bislang niemand eine Biografie über Rilke und seine Engel geschrieben hat, ist erstaunlich.

Offenbar fliegen Engel unter dem Radar der Wahrnehmung.

Den Wissenschaften sind sie zu flatterhaft, den Kirchen zu esoterisch.

Rilkes Freundinnen aber nahmen die Engel als sein Lebensthema ernst.

Dem gehe ich in dieser spirituellen Biografie nach.

Ich erzähle von Rilkes innerem Leben und von jenen Frauen,

die seinen Weg zur Vollendung der »Duineser Elegien« begleiteten,

seiner größten Dichtung – mit ihrem Leitmotiv: den Engeln.

 

 

„Aber Lebendige machen
alle den Fehler, daß sie zu stark unterscheiden.
Engel (sagt man) wüßten oft nicht, ob sie unter
Lebenden gehen oder Toten. Die ewige Strömung
reißt durch beide Bereiche alle Alter
immer mit sich und übertönt sie in beiden.“

 

 

 

 

„Preise dem Engel die Welt, nicht die unsägliche, ihm
kannst du nicht großtun mit herrlich Erfühltem; im Weltall,
wo er fühlender fühlt, bist du ein Neuling. Drum zeig
ihm das Einfache, das, von Geschlecht zu Geschlechtern gestaltet,
als ein Unsriges lebt, neben der Hand und im Blick.
Sag ihm die Dinge. Er wird staunender stehn; wie du standest
bei dem Seiler in Rom, oder beim Töpfer am Nil.“

 

 

Undine von der Lamme vor Rilkes Grabstein