"Schon 1993 erschien beim Verlag Herder Wolffs 'Breit aus die Flügel beide' -
nun liegt es in einer völlig neubearbeiteten Fassung vor und trägt den Titel
'Die Engel des Lebens. Eine Kulturgeschichte'.
Das ist nicht übertrieben, denn mit der ihm eigenen engelgleichen Leichtigkeit des Schreibstils
bewegt sich der habilitierte Kulturwissenschaftler durch all die Sphären,
in denen Engel auftauchen können und unsichtbare Spuren hinterlassen -
am Anfang des Lebens, in der Kindheit und Jugend und natürlich im Rahmen der Liebe."
Stefan Meetschen. Die Tagespost vom 13. Oktober 2022
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Wer es glaubt, wird selig
Uwe Wolff präsentiert eine Kulturgeschichte der Engel
WERNER OLLES
Literatur über Engel gibt es regalmeterweise in jedem Esoterik-Laden und in den wenigen übriggebliebenen Buchläden. Leider ist das allermeiste trivialer Humbug, den man als wirklich an der Thematik interessierter Leser besser meiden sollte. Für das hier vorzustellende Buch gilt dies jedoch keinesfalls, es ist im Gegenteil höchst empfehlenswert, spannend und gut lesbar geschrieben und macht Lust auf mehr Wissenswertes über Engel als „Sinnbilder der geistlichen Ökologie“ und Verbindungen stiftende „Netzwerker zwischen Himmel und Erde“, die – völlig frei von Berührungsängsten auch gegenüber dem ärgsten Sünder, denn Schuld und Sühne sind innerweltliche Kategorien – die Menschen auf all ihren Wegen begleiten, von der Geburt über die Kindheit, Jugend, die Jahre der Reife bis zu unserer letzten Stunde.
Uwe Wolff, promovierter Theologe, Schriftsteller und Studiendirektor, gilt zu Recht als Deutschlands bekanntester Engelforscher. 2020 zur römisch-katholischen Kirche konvertiert, erzählt er vom Wirken der Engel als Boten Gottes und von Menschen mit himmlischen und übernatürlichen Erfahrungen. In sieben Kapiteln öffnet sich dem Leser eine Kulturgeschichte, die von den „Engeln der Geburt“ über jene der Kind- heit, der Jugend, der Liebe, der Berufung, des Kampfes und der Vollendung reicht. Beginnend mit dem Erzengel Gabriel, der die Jungfrau Maria auf ihre Aufgabe als Mut- tergottes vorbereitet, über die LSD-Engel des Chemikers Albert Hofmann, der das die Tiefenschichten der Seele freilegende Lysergsäurediethylamid synthetisierte und gemeinsam mit Ernst Jünger LSD-Sitzungen hielt, um eine echte Erfahrung „unseres Einsseins mit der tiefsten, umfassendsten Wirklichkeit mit Gott“ zu erleben und auf den unerklärbaren Urgrund der Schöpfung zu stoßen.
Am Rande der Unendlichkeit in die Tiefen des Universums lauschend begleitet der Engel der Jugend alle Wandlungen zwischen Gottesentfernung und Gottesannäherung. Raphael ist Seelenführer, Arzt und Apotheker, und sein Name verweist auf Gottes Heilkraft. Von Juden und Jesiden verehrt, gibt er seine „englische“ Natur nicht preis, doch spricht er die Begrüßungs- und Entwarnungsformel aller Engel: „Fürchtet euch nicht!“ Biblisch gut belegt erschüttert diese Offenbarung die menschliche Natur und hat einen fernen Nachhall in Rainer Maria Rilkes Vers „Ein jeder Engel ist schrecklich“, doch dies nicht nur wegen seiner Schönheit, die für uns Menschen kaum zu ertragen ist, sondern vor allem weil Gottes Gegenwart mit Schrecken und Entzücken wahrgenommen und der Mensch im Kern seines Wesens berührt wird.
Uwe Wolff hat ein wunderbares Buch über himmlische Begleiter auf dem Weg der Erinnerung und Erneuerung geschrieben.
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„Auch die Engelkunde hat ihre Gretchenfrage:
Sind die „Boten Gottes“ lediglich Metaphern, die wir ersonnen haben, um mit der Fülle des Lebens zurechtzukommen – oder gibt es sie als eigenständige Wesen, als „Lichtgestalten“, die den „immerwährenden Lobpreis Gottes“ singen? Solche Charakterisierungen scheinen vielen mittlerweile naiv, auch wenn der Skeptiker Gottfried Benn bei seiner Frage nach dem Guten und dem Sanften noch die „reine Stirn der Engel“ einfiel. Für Uwe Wolff freilich, der als Theologe, Kulturwissenschaftler und emsiger Publizist seit Jahrzehnten den Spuren der Engel nachgeht, stellt sich hier auch die Frage nach unserem Weltverständnis:
Hat die Schöpfung ein „Herz“, eine göttliche Mitte, von der aus alles seine „heilige Ordnung“ bekommt?
Wer diese Frage bejaht, der tut gut daran, den zahllosen Stimmen der religiösen Überlieferung, der Literatur und Kunstgeschichte zu lauschen, die Engel-Begegnungen bezeugen, lyrisch verdichten, in Bildern meditieren. Für Wolff sind es die „Engel des Lebens“, die dabei zu Wort oder ins Bild kommen. Der „Engel der Geburt“ zum Beispiel, der dafür einsteht, dass jedes Leben erwählt ist, „von Gott beim Namen gerufen, noch bevor es empfangen wird“. Der „Engel des Kampfes“ auch, der – wie beim Ringen des biblischen Jakob mit dem Engel am Fluss Jabbok – den Menschen versehren kann, mit dem man gleichwohl seine Lebensaufgabe entdeckt: „Am Jabbok kämpft ein reifer Mann in der Lebensmitte um den Bestand seiner Berufung. Was dem jungen Träumer zufiel, will jetzt in zähem Ringen neu erworben werden.“ Das ist himmlische Erzählung und geerdete Weisheit zugleich. Von diesen Ingredienzen gibt es in Wolffs Betrachtungen eine ganze Menge. Beeindruckend nicht zuletzt die Bezüge, die er beispielsweise zwischen Jakob und dem Maler Paul Gauguin oder zwischen der Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross und Martin Luther herstellt. Es ist eine „Kulturgeschichte“, ein Buch der Andeutungen, die man aufgreifen mag, um sie zu meditieren. „Einen Engel“, so ein Sprichwort, „erkennt man erst, wenn er vorübergegangen ist.“
Christian Heidrich. Christ in der Gegenwart 5/2023.
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Engel und Heilige sind geniale Partner.
Geniale Paare habe ich hier beschrieben: