Auch der Papst braucht eine Freundin:
Johannes Paul II. und Wanda Półtawska
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Mit den Schutzengeln teilen Freunde den Blick auf den Wesenskern. Selbstlos lieben sie den Freund, weil er ist, was er ist. Oftmals durchschauen sie ihn besser, als er sich selbst kennt. Sie wissen, dass niemand sich selbst entfliehen kann. Der Freund sieht den Freund mit den inneren Augen und ist nicht überrascht, wenn er in seinem Denken und Tun an seine menschlichen Grenzen kommt oder versagt. Deshalb hält manche Freundschaft länger als die Ehe. König David mag dafür ein Beispiel sein.
Die Freundschaft lebt aus der Begegnung. Doch selbst in weite Ferne gerückt, kann der Freund ganz nahe sein. Freundschaft kennt nicht die Grenzen von Raum und Zeit. Das gilt besonders für die geistliche Freundschaft. Sie ist auch in völliger Reinheit zwischen Männern und Frauen möglich, ja zwischen Priestern und Ehefrauen. Zu den genialen Paaren der geistlichen Freundschaft gehören Papst Johannes Paul II. (1920-2005) und die polnische Psychiaterin Wanda Półtawska (*1921). Die mit dem Krakauer Philosophen Andrzej Półtawski seit 1947 verheiratete Mutter von vier Töchtern hielt dem polnischen Papst bis zu seinem letzten Atemzug die Treue. Sie weilte an seinem Sterbebett, als er am 2. April um 21.37 Uhr starb. Durch sie ist auch ein letztes Wort des Heiligen überliefert worden. Abschiedsworte großer Menschen sind oft erfunden oder stilisiert worden. Nur wahre Freunde können wahre letzte Worte überliefern, weil es ihnen immer um das Wesentliche geht. „Der Welt fehlt es an Weisheit“, sagte der sterbende Freund. So berichtet Wanda Półtawska. Zum Wesen der Freundschaft gehört die Weisheit. Sie hat einen langen Atem und übt sich in Geduld. Sie weiss auch zu schweigen oder das richtige Wort zur rechten Zeit zu sprechen.
Wanda Półtawska und Karol Wojtyla waren beide durch Krieg, Deportation und Arbeitslager geprägt worden. In den Erfahrungen von Demütigung, Schmerz und Tod entwicklen sie das, was die Psychologie heute Resilienz nennt. Eine innere Kraft des Widerstandes gegen die Zumutungen des Lebens, Ressourcen der Liebe und der Zuversicht in scheinbar ausweglosen Situationen. Beide waren durch den polnischen Katholizismus geprägt, der bis auf den heutigen Tag über der Welt des Wissens die Weisheit erkennt und durch viele Priester das katholische Leben in Westeuropa und Skandinavien lebendig hält.
Die Überwindung der Todesfurcht, sagte einmal der Konvertit Ernst Jünger (1895-1998), sei Aufgabe des Autors. Das Werk müsse sie ausstrahlen. Wanda Półtawska und Karol Wojtyla haben diese überwundene Todesfurcht ausgestrahlt. Deshalb vertrauten sich die Menschen ihnen an. Beide hatten keinerlei Berührungsängste. An der Pforte des Todes endet alles Wissen. Daher ängstigt sich das Bewusstsein. Die Weisheit aber schaut auf Christus, der die Welt und den Tod überwunden hat. Es gehört zu der paradoxen Erfahrung der Ärztin Wanda Półtawska, dass in der Schwäche die Stärke eines Menschen liegen kann. Von der Parkinson-Krankheit gezeichnet, wurde der Freund zum Zeichen der Überwindung der Todesfurcht. Wovor soll der Mensch Angst haben, wenn der Tod zum Moment der Begegnung mit Gott wird? In der Corona-Krise meinte Wanda Półtawska Zeichen einer Panpsychose wahrnehmen zu können. Die Maske demaskiert die Ängste ihres Trägers. „Das ist eine idiotische Sache“, sagt die Psychiaterin bei einer Begegnung mit dem Journalisten, Schriftsteller und Wissenschaftler Stefan Meetschen in ihrer Krakauer Wohnung. „Es gab immer Seuchen, Kriege. Es ist nicht Harmagedon.“ Als er die Hundertjährige besuchte, hatte er sich eine Mundbinde angelegt, wie es Vorschrift und Vorsicht verlangten. Die alte weise Frau aber habe geradezu empört auf die Maske des Besuchers geblickt, den Kopf geschüttelt und gesagt: „Warum tragen Sie das? Haben Sie Angst vor dem Sterben?“
Die Überwindung der Todesfurcht kann nicht auf Rezept verordnet werden. Sie fordert auch nicht zu leichtsinnigem und verantwortungslosem Handeln auf. Sie ist Frucht der Weisheit des Glaubens, dass nichts und niemand den Menschen von Gott trennen kann. Deshalb appellierte Johannes Paul II. in seiner berühmten ersten Ansprache vom 22. Oktober 1978 an alle Katholiken: „Habt keine Angst! Öffnet, ja reißt die Tore weit auf für Christus! Öffnet die Grenzen der Staaten, die wirtschaftlichen und politischen Systeme, die weiten Bereiche der Kultur, der Zivilisation und des Fortschritts seiner rettenden Macht! Habt keine Angst! Christus weiß, ‚was im Innern des Menschen ist‘. Er allein weiß es!“ Freunde wissen zwar nicht, was im Inneren eines Menschen ist, aber sie kommen diesem Geheimnis sehr nahe. Sie stehen sich unter allen Umständen in der Not bei.
Als Wanda Półtawska in jungen Jahren an Darmkrebs schwer erkrankte, ging ihr Freund und Seelsorger einen Weg der höheren Weisheit und suchte den Kontakt zu Pater Pio. Der Kapuzinerpater gehört zu den vielen aussergewöhnlichen Menschen, die unter Johannes Paul II. später heilig gesprochen worden sind. Über ihr Verhältnis sind viele Bücher geschrieben worden. Doch es bedarf nicht großer Worte, wenn sich der Freund für die erkrankte Freundin einsetzt. Hier geht es immer um Letztes. Das Letzte aber bedarf keiner Erklärungen. Es ist immer unmittelbar. Am 17. November 1962 hatte der katholische Priester in lateinischer Sprache geschrieben: „Ehrwürdiger Vater, ich bitte Dich, für eine Mutter von vier Töchtern zu beten, die vierzig Jahre alt ist und in Krakau in Polen lebt (während des letzten Krieges war sie fünf Jahre in einem Konzentrationslager in Deutschland). Jetzt befindet sie sich wegen einer Krebserkrankung in einer sehr ernsten Gefahr für ihre Gesundheit und ihr Leben: Gott möge auf die Fürsprache der seligsten Jungfrau ihr und ihrer Familie seine Barmherzigkeit erweisen.“
Pater Pio folgte der Bitte um Fürbitte, sprach seine Gebete und die erkrankte Psychiaterin wurde wieder gesund. „Freundschaftsdienste“ brauchen keine Kommentierung, keinen Dank und keine großen Berichte in der Öffentlichkeit. Das gilt gerade für die geistliche Freundschaft. Für Karol Wojtyla bedeutete sie auch die Teilhabe an einem katholischen Familienleben. Freundschaften mit Familien gehören zum geistlichen Leben der Geistlichen unbedingt dazu. Oftmals sind sie reiner weil durch die Blutsbande unbelasteter als die eigenen Familienbande zu Geschwistern und ihren Kindern. Johannes Paul II. war aber auch ein Genie der Freundschaft zu Männern. Ihr Urbild ist die Freundschaft zwischen Jonathan und David. Was der eine am anderen mag, fassen die Samuelbücher mit den Worten zusammen: „denn er hatte ihn lieb wie sein eigenes Herz.“ (1. Samuel 18.3) Das Wesen der Freundschaft sind nicht Gefälligkeiten und Liebedienereien, sondern das vollständige Denken vom anderen Menschen her: „Ich will für dich tun, was dein Herz begehrt.“ (1. Samuel 20.4) Das Beispiel der polnischen Ärztin zeigt, wie wichtig eine Freundin für einen Geistlichen sein kann. Ein in den Gründen und Abgründen der irdischen Liebe viel erfahrener Mann wie König David stellt deshalb die Freundschaft über die Leidenschaft, als er dem verstorbenen Freund nachruft: „Ich habe große Freude und Wonne an dir gehabt; deine Liebe ist mir wundersamer gewesen, als Frauenliebe ist.“ (2. Samuel 1.26)
Als Plädoyer für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare eignen sich diese Worte nicht. Wanda Półtawska lag mit Johannes Paul II. auf einer Linie, als sie in einem Interview betonte: „Gemäß dem Wesen der Ehe kann sie nicht eingeschlechtig sein, denn sie soll dem Leben, der Familie dienen. Die Einheit ‚zweier in einem Leibe‘ kann zwischen zwei Personen eines Geschlechts nicht realisiert werden.“ In der Gender-Frage sehe sie „vor allem einen Mangel an gesundem Menschenverstand und eine Missachtung der Biologie. Jeder vernünftige Mensch weiß sehr gut, dass er Mann oder Frau ist. Das zu verneinen kann nichts ändern. Man kann sich natürlich verstümmeln und sich das Zeugungsorgan abschneiden lassen, das ändert aber das Geschlecht der Person nicht wirklich, denn es ist genetisch determiniert und so ist auch jede Zelle unseres Leibes determiniert als männlich oder weiblich.“